Die Kraft der Ernährung (Teil 5): Das Mikrobiom des Menschen
50 bis 70 Prozent der Zellen in unserem Körper sind nicht menschlich (1). Es sind Zellen von Mikroben und Bakterien, die unseren Körper bevölkern – unsere Haut, unsere Atemwege und ganz besonders unseren Darm. Die Forschung am Mikrobiom des Darms, und mit ihr unser Wissen über die kleinsten Bewohner hat im letzten Jahrzehnt exponentiell zugenommen. Der Begriff „Mikrobiom“ bezieht sich auf die Gesamtzahl der Mikroben und deren genetisches Material. Während unser Genom aus rund 22.000 Genen besteht (2), zählt das Mikrobiom bis zu 3,3 Millionen protein-kodierende, nicht-redundante Gene (3) und übertrifft damit die Anzahl der Gene unseres Genoms (die Gesamtzahl all unserer Gene) um das 150-Fache.
Wie genau sieht die Beziehung zwischen Mikroben und Menschen aus?
Wir beginnen nur langsam diese grundlegende Verbindung zu verstehen, die einen ungemeinen Einfluss auf unsere Gesundheit zu haben scheint. Seit Beginn unserer Existenz haben wir mit Mikroben kooperiert und das „Ausleihen“ mikrobieller Gene wurde als evolutionäre Abkürzung zur Entwicklung neuer Fähigkeiten genutzt.
Aber was hat das Mikrobiom des Darms mit Ernährung und Gesundheit zu tun? Mikrobielle Gene codieren u.a. für Enzyme, die uns dabei helfen, Nahrung aufzuschlüsseln, die wir ansonsten nicht verdauen könnten. Mikrobielle Gene codieren u.a. für Enzyme, die uns dabei helfen, Nahrung aufzuschlüsseln, die wir ansonsten nicht verdauen könnten. Mikroben in unserem Darm sind zudem in der Lage, kleine Mengen an bestimmten Vitaminen, wie z.B.
Wie interagieren die Darmbakterien mit dem Gehirn?
Moleküle, die aus dem mikrobiellen Stoffwechsel stammen, treten in den Blutkreislauf über und wirken wiederum auf unseren Stoffwechsel. Sie haben Einfluss darauf, wie Leber- und Muskelzellen Nährstoffe speichern und wie sie Glucose verwerten, sie agieren als Signalstoffe, indem sie beeinflussen, ob Nährstoffe in Form von Fett oder Glykogen gespeichert werden und sie regulieren, wie Zellen auf Insulin reagieren (6). Bakterielle Substanzen steuern sogar das Hungergefühl und das Körpergewicht und haben Einfluss auf Hormone und Neurotransmitter, und sie modifizieren so unsere Stimmung, unser Energielevel und die Gehirnfunktionen (7). Das Mikrobiom könnte einer der Schlüssel für das Verständnis der Darm-Hirn-Achse sein. Studien konnten wechselseitige Interaktionen innerhalb dieser Achse nachweisen: Mikroben kommunizieren mit dem Gehirn, indem sie neuronale, endokrine und immunologische Signalmechanismen nutzen. Das Gehirn wiederum nutzt das autonome Nervensystem, um die Darmmotilität, die intestinale Sekretionsleistung, die Darmpermeabilität und die luminale Hormonsekretion zu modulieren, um damit das Mikrobiom und die mikrobielle Genexpression zu regulieren (8). Es wird vermutet, dass Veränderungen der Darm-Hirn-Kommunikation in der Pathophysiologie des Reizdarm-Syndroms, der Adipositas und einiger psychiatrischer und neurologischer Erkrankungeninvolviert sind (8, 9).
Was kann unsere Nahrung für unser Mikrobiom und unsere Gesundheit tun?
Die Nahrung, die wir essen, ist auch Nahrung für unsere Darmbakterien. Unsere Ernährungsweise bestimmt, welche Bakterienspezies in unserem Darm leben, was weitreichende Konsequenzen für unseren Stoffwechsel und unsere Physiologie hat.
Viele verschiedene Faktoren beeinflussen die Zusammensetzung des Mikrobioms, z.B. die Art der Ernährung im Säuglingsalter, der Geburtsmodus, geographische Faktoren, Medikamente, Stress und der Alterungsprozess. Einer der wichtigsten Parameter ist jedoch die Ernährung. Eine Ernährungsumstellung, insbesondere der Konsum von Ballaststoffen aus Früchten, Gemüse und Vollkorngetreide, kann zu signifikanten Veränderungen des Darm-Mikrobioms führen (10).
Die Zusammensetzung des Mikrobioms unterscheidet sich stark zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Kulturen. Beim Vergleich des Darm-Mikrobioms von Kindern eines ländlichen afrikanischen Dorfes mit dem Mikrobiom westeuropäischer Kinder konnte gezeigt werden, dass das Mikrobiom der afrikanischen Kinder signifikant reicher an
Im Vergleich dazu war die europäische Ernährungsweise reich an tierischem Protein, Zucker, Stärke und Fett und arm an Ballaststoffen und führte zudem im Darm zu einem signifikant erniedrigten Gehalt an kurzkettigen Fettsäuren (englisch: short-chain fatty acids, SCFA), welche von bestimmten Bakterien mittels Fermentation aus Ballaststoffen hergestellt werden.
Die von den Darmbakterien produzierten Metaboliten treten mittels Absorption in den Blutkreislauf über. Der enterohepatische Kreislauf kann diverse Wirkungen auf den Wirt haben, darunter eine antientzündliche und antioxidative Aktivität, eine Funktionsregulierung der Darmbarriere und die Produktion von Vitaminen und Energielieferanten (15). Die von Mikroben abstammenden
Was ist Ihr Enterotyp?
Es gibt Hinweise darauf, dass das Darm-Mikrobiom in drei sogenannte Enterotypenunterteilt werden kann, welche durch bestimmte funktionelle Marker charakterisiert sind (18). Einige dieser Marker, z.B. stärkeabbauende Enzyme, korrelieren mit dem Alter und dem Body Mass Index (BMI). Diese Enterotypen werden wahrscheinlich durch Langzeit-Ernährungsgewohnheiten beeinflusst (19). Sogar ein nur kurzzeitiger Konsum einer Ernährung, die entweder aus tierischen oder pflanzlichen Nahrungsmitteln besteht, verändert das Darm-Mikrobiom innerhalb von 24 Stunden. So vermindert zum Beispiel eine auf tierischen Produkten basierende Ernährung die Anzahl an Firmicutesund erhöht den Anteil an Bacteroides(20).
Studien zeigen jedoch auch, dass die Enterotypen über die Zeit hinweg an sich stabil bleiben (21) und sich wahrscheinlich auch im Falle einer Ernährungsumstellung nicht komplett umstellen (22).
Beim Enterotyp 1 sind Bacteroidesvorherrschend und er kommt vor allem bei Menschen mit einer Ernährung vor, die reich an Protein und gesättigten Fettsäuren ist. Enterotyp 2 findet sich vor allem bei Ernährungsweisen, bei denen Kohlenhydrate die Hauptenergiequelle darstellen. Er wird dominiert durch
Das Konzept der Enterotypen ist jedoch umstritten und es gibt Hinweise darauf, dass Enterotypen nicht immer strikt auf drei Gattungen beschränkt sind (23, 24).
Daher könnte ein anderer sinnvoller Ansatz sein, die Mikrobiota verschiedener Populationen anhand ihrer Diversität zu kategorisieren. Beispielsweise
Darüber hinaus sollten nicht nur die Enterotypen oder die mikrobielle Diversität an sich berücksichtigt werden, sondern auch die Plasmametaboliten, die von Darmmikroben stammen. Beim Vergleich von Veganern mit Omnivoren wurde festgestellt, dass deren mikrobielle Zusammensetzung relativ ähnlich war. Bei der Betrachtung der Metabolome unterschieden sich jedoch die Plasmametaboliten zwischen den Gruppen um 25%, und Veganer hatten eine insgesamt höhere Konzentration an von Mikroben stammenden Metaboliten (26).
Mikrobiom und Epigenetik
Das Human Genome Project wurde 1990 ins Leben gerufen und hatte große Hoffnungen geschürt, dass durch die Entschlüsselung unserer DNA-Sequenz die genetische Grundlage für Krankheiten erschlossen werden könnte und somit die Möglichkeit, medizinische Therapiemöglichkeiten auf der Basis von Genen zu entwickeln. Ausgehend von einer geschätzten Anzahl von 100.000 Genen war die ermittelte Zahl von nur etwa 20.000 menschlichen Genen recht ernüchternd. Wir sind jedoch Gastgeber für ein zweites Genom: das genetische Material unseres Mikrobioms. Entsprechend dem momentanen Wissensstand sprechen wir hier von ganzen
Das bringt uns noch einen Schritt weiter: Die Art und Weise wie wir uns ernähren, beeinflusst nicht nur unsere eigenen Gene, sondern hat auch einen Einfluss auf die Gene der Mikroben, die unseren Darm bevölkern.
Während unser Genom (abgesehen von epigenetischen Modifikationen) lebenslang konstant bleibt, verändert sich unser Mikrobiom über die Zeit hinweg stark und vermag mittels epigenetischer Modifikationen unsere Gene zu beeinflussen. Wir haben bereits besprochen, dass bestimmte Bakterien kurzkettige Fettsäuren (SCFA) produzieren. Diese können wiederum mittels epigenetischer Regulation unseren Stoffwechsel beeinflussen (12).
Was ist die Zukunft der Mikrobiom-Forschung?
Das Mikrobiom kann als eine der wichtigsten Verbindungen zwischen unserer Ernährungsweise und unserer Gesundheitverstanden werden. Die derzeit verfügbare Literatur zeigt eine symbiotische Kommunikation zwischen unserem Körper und unseren Mikroben, wobei die Details noch nicht vollständig verstanden sind. Das macht das Mikrobiom zu einem der spannendsten Forschungsfelder.
Das von unserem Darm-Mikrobiom stammende Metabolom bietet eine weitere vielversprechende Gelegenheit, den Einfluss von Ernährung auf die Krankheitsentstehung zu untersuchen. Wir dürfen neue Einsichten hinsichtlich Prävention, Diagnostik, Therapie und Prognose bestimmter Krankheiten erwarten. Beispielsweise könnte die mikrobielle Zusammensetzung als Biomarker für Krankheitsrisiko oder -verlauf dienen und individualisierte Ernährungsempfehlungen, basierend auf dem mikrobiellen Profil einer Person, könnten effektive und potentiell kurative Therapieoptionen darstellen.
Dieser Artikel ist Teil der Serie „Die Kraft der Ernährung“.
Teil 1: The Power of Nutrition
Teil 2: Die globale Bürde der Nicht-Übertragbaren Erkrankungen
Teil 3: Die Blue Zones
Teil 4: Epigenetik
Teil 5: Das Mikrobiom des Menschen
Teil 6: Wie funktioniert Ernährung?
Teil 7: Die Deutlichkeit der Evidenz